Zinsniveau

Zinsniveau
Das Zinsniveau ist einer der meist genannten Begriffe, wenn es derzeit um Geld geht. Es ist für dafür verantwortlich, dass sich Festgeldanlagen nicht mehr lohnen, bedroht die klassische Lebensversicherung, sorgt aber auch dafür, dass das Geld billig ist.
Zumindest, solange es so niedrig ausfällt wie in den letzten Jahren. Wer jedoch einen Blick auf das Zinsniveau der letzten 100 Jahre wirft, entdeckt jede Menge Veränderungen und stetige Aufs- und Abs. Dahinter stehen meist politische oder volkswirtschaftliche Erwägungen und das Reagieren auf Situationen, die sich jederzeit ändern können.
Anders formuliert, sind weder niedrige noch hohe Zinsen ein Naturzustand, sondern menschlichen und teilweise kontroversen Entscheidungen unterworfen.
Wer legt das Zinsniveau fest?
Doch wer legt das Zinsniveau fest und entscheidet über die Höhe der Zinsen?
In den westlichen Staaten sind dies die Zentralbanken oder Notenbanken, die eine unabhängige Instanz darstellen. Für Deutschland entscheidet die Europäische Zentralbank (EZB) mit Sitz in Frankfurt, in den USA ist es die Federal Reserve (Fed), des weiteren gelten die Schweizerische Nationalbank oder die Bank of England als bedeutsam.
Wohlgemerkt: die Zentralbanken sind nicht allein für das Zinsniveau verantwortlich, wohl aber für den so genannten Leitzins. Hier handelt es sich um einen Zinssatz, der einseitig festgelegt wird und für die Kreditaufnahme von Banken gilt. Der aktuelle EZB-Leitzins in Höhe von 0,00 Prozent bedeutet, dass sich Kreditinstitute auf diesem Zinsniveau Geld von der Zentralbank leihen können.
In den USA sind es 1,75 Prozent, in der Schweiz minus 0,75 Prozent und in China 4,20 Prozent, um nur einige Beispiele zu nennen. Geld wird entsprechend billig oder teuer und den Zentralbanken kam so die Möglichkeit einer teilweisen Steuerung der Ökonomie zu.
Wie wirkt sich das Zinsniveau aus?
Das Problem ist nur, dass sich das Zinsniveau nicht eins zu eins auf die Wirtschaft auswirkt bzw. nicht exakt die Effekte erzielt werden, die durch billige Zinsen erwünscht sind.
Aktuell soll beispielsweise dafür gesorgt werden, dass Unternehmen günstige Kredite erhalten und diese in Wachstum investieren. Die Banken halten sich allerdings mit der Kreditvergabe zurück und auch Unternehmen fordern trotz kaum vorhandener Zinsen nicht in ausreichendem Maße Geld an. Es lässt sich somit nicht eins zu eins Wirtschaftswachstum herstellen.
Kritiker der derzeitigen Niedrigzinspolitik bemängeln zudem, dass durch anhaltend niedrige Zinsen keine Möglichkeiten der Intervention mehr existieren und die Notenbanken ihren Einfluss einbüßen.
Ein niedriges Zinsniveau hat jedoch auch Auswirkungen auf Anleger und Versicherungen. Wer sein Geld in fester Form bzw. zu festen Zinsen anlegen möchte, geht nur insofern auf Nummer sicher, als er Geld verliert. Der Grund liegt in der Inflationsrate, die zwar auch niedrig ausfällt, jedoch mit rund eineinhalb Prozent oberhalb des derzeitigen Zinsniveaus liegt.
Anders formuliert, erhält man bei einer Bank maximal ein halbes Prozent an Zinsen, muss jedoch mit einer jährlichen Teuerungsrate von eineinhalb Prozent kalkulieren. Unter dem Strich entsteht ein Minus.
Ein ähnliches Problem entsteht bei Lebensversicherungen, die einen Garantiezins einräumen müssen. Dieser beträgt derzeit gerade noch 0,75 Prozent, sodass auch die sichersten Festanlagen ins Minus rutschen und sich nicht mehr lohnen. Im Umkehrschluss erleben sowohl Aktien als auch Immobilien einen regelrechten Boom.
Darlehen für Immobilien sind günstiger denn je und auch Renovierungen oder Sanierungen finden in großem Stil statt, weil es sich schlichtweg lohnt, in „Betongold“ zu investieren und das Geld nicht „herumliegen“ zu haben. Dass hierdurch Risiken entstehen, versteht sich von selbst.
Niedriges Zinsniveau: was tun?
Es existieren eine Fülle an Ideen und Ratschlägen, wie man als Anleger dem niedrigen Zinsniveau die Stirn bieten kann.
Wichtig ist grundsätzlich eine gute Risikostreuung, zumal feste Zinsen aktuell nicht lohnen bzw. nicht hoch genug sind. Es bleiben somit nur Geldanlagen, die mit gewissen Risiken verbunden sind.
Vergleichsweise gering fällt dieses im Crowdinvestment aus. Die Rede ist von einer relativ neuen Möglichkeit, direkt am Erfolg eines Unternehmens oder Projekt teilzuhaben und bereits geringe Beträge ab 500 Euro zu platzieren. Wenn es sich beispielsweise um ein maritimes Investment handelt, winkt ein Zinsniveau in Höhe von rund sechs bis sieben Prozent jährlich, was sich in der Tat lohnt.
Zu beachten ist allerdings, dass es sich um eine Form unternehmerischen Handelns handelt und somit geringere Sicherheiten existieren. Man muss sich somit etwas trauen, um bei einem anhaltend niedrigen Zinsniveau noch Gewinne zu verbuchen.
Das Zinsniveau in früheren Jahren
Das eine vorweg: eine Betrachtung des Zinsniveaus in den letzten Jahrzehnten ist zwar interessant, ermöglicht jedoch keinerlei Prognose für die Zukunft.
Die Entscheidungen werden stets von Menschen in bestimmten politischen Konstellationen getroffen und lassen sich nicht vorhersagen. Die Geschichte wiederholt sich nie, doch wirft man beim Zinsniveau einen Blick auf die Realzinsen, so befinden sich diese nach Ansicht vieler Experten seit Jahrhunderten auf sinkendem Kurs.
Die Rede ist dabei vom Verhältnis zwischen den Zinsen und der Preissteigerung bzw. der Inflationsrate, die vor allem in Boomphasen ins Negative kippen. Wissenschaftler der renommierten Bank of England haben das Zinsniveau seit dem Jahr 3000 vor Christus, also seit 5000 Jahren untersucht und kommen zu dem Schluss, dass das Geld noch nie so billig war wie heute.
In der Antike war das Zinsniveau vor allem deshalb hoch, weil der Geldverleih nicht institutionalisiert war. Verliehen wurde von reichen Privatpersonen, die das Risiko allein tragen mussten und daher hohe Zinsen verlangten. In späteren Jahren sorgten die Kirchen dafür, dass die Zinsen nicht zu stark stiegen, doch lagen die Obergrenzen über den heutigen Nullzinsen.
Als die ersten Banken wie die Bank von Amsterdam oder die Bank of England entstanden, blieben die Zinssätze über viele Jahre konstant. Bei der Bank of England kam es beispielsweise zwischen 1719 und 1822 kein einziges Mal zu einer Veränderung.
In Japan wird seit 1995 eine Niedrigzinspolitik verfolgt, die bis heute nicht geändert ist und hierzulande hat das enorm niedrige Zinsniveau mit der Finanzkrise des Jahres 2008 seinen Anfang genommen, wobei der Leitzins in der Eurozone auch zuvor niemals höher als 4,75 Prozent betragen hatte und insofern auch nicht von einer Hochzinspolitik gesprochen werden konnte.
Noch 2008 lag der Satz bei 4,25 Prozent, wurde jedoch in Schritten von einem halben oder gar 0,75 Prozent bis auf 0,00 Prozent seit März 2016 gesenkt. Weitere Senkungen sind durchaus im Bereich des Möglichen, sodass auch Negativzinsen wie in Japan oder der Schweiz ins Haus stünden.
Das Zinsniveau der Zukunft
Man bräuchte schon die sprichwörtliche Kristallkugel, um das Zinsniveau der Zukunft vorauszusagen. Es ist allerdings so, dass niedrige Zinsen auch in der Vergangenheit keine Seltenheit waren und auch zu keiner ökonomischen Katastrophe führten. Großbritannien verzeichnete zwischen 1932 und 1951 ein Zinsniveau in Höhe von zwei Prozent, die USA zwischen 1933 und 1952 sogar noch niedrigere Zinsen.
Schließt man von der Länge der Zeiträume, die stets bei rund 20 Jahren lagen, auf die heutige Zeit, so würde dies ein niedriges Zinsniveau bis ins Jahr 2030 bedeuten. Hinzu kommt, dass die Inflation ebenfalls recht gering ausfällt, was sowohl am technischen Fortschritt als auch am weltweiten Wettbewerb liegt.
Staaten wie Österreich haben bereits auf die anhaltenden Niedrigzinsen reagiert und Anleihen mit 100-jähriger Laufzeit emittiert. Dabei wird ein Zinssatz in Höhe von 2,1 Prozent garantiert, was offenbar attraktiv genug ist, um viele Käuferinnen und Käufer anzuziehen. Es zeigt sich daran, dass nicht allerorten davon ausgegangen wird, dass die Zinsen kurz- oder mittelfristig wieder ansteigen.
Auch der Wechsel an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) von Mario Draghi zu Christine Lagarde lässt nicht vermuten, dass das Zinsniveau in absehbarer Zeit steigt. Die Geschäftsbanken sind jedoch jederzeit in der Lage, eigene Vorgaben zu machen, müssen allerdings im Verhältnis zur Zentralbank den aktuellen Leitzins beachten und akzeptieren.
Wenn jedoch die politischen Verhältnisse stabil bleiben, könnten die niedrigen Zinsen auch in den kommenden Jahren erhalten bleiben und alternative Geldanlagen gefragt sein und auch, wenn das Zinsniveau dann wieder steigt, bleibt fraglich, ob wieder Werte in Höhe der Vorkrisenzeit und damit nah der fünf Prozent erreicht werden.
Glücklicherweise existieren mittlerweile eine Fülle an spannenden Geldanlagemöglichkeiten, bei denen sich durch clevere Streuung die Risiken minimieren lassen. Feste Zinsen und Garantien gehören der Vergangenheit an, doch wer etwas wagt und sich von Projekten überzeugen lässt, der kann sich überaus attraktive Zinsen sichern.
Das Zinsniveau ist somit nur hinsichtlich des Leitzinses und damit der Zinsen für Festgeld niedrig. Wer allerdings einen Blick auf die Performance von Aktien, Immobilien, maritimen Investments oder auch Crowdfinanzierungen wirft, erhält teilweise sogar Ergebnisse im zweistelligen Prozentbereich.
Ein steigendes Zinsniveau würde nach Ansicht mancher Experten ohnehin auch für die breite Bevölkerung keine nennenswerten Vorteile bringen, da rund 40 Prozent aller Haushalte in Deutschland über kein relevantes Finanzvermögen verfügen und kein Geld zum Anlegen besitzen.
Steigende Zinsen könnten zu stagnierenden Löhnen oder zu einem Rückgang der neuen Jobs führen und gelten daher keineswegs als anstrebenswert. Ein Vorteil, den das niedrige Zinsniveau auf jeden Fall bringt, ist die Geldersparnis des Staates, die sich durch nicht zu begleichende Zinsen auf einen zweistelligen Milliardenbetrag beläuft. Auch wird die Infrastruktur mit billigem Geld erneuert, wovon jeder profitiert.